Jahreskonferenz „Energie heute & morgen“
BBH-Partnerin Prof. Dr. Ines Zenke eröffnete den Tag, „an dem über das große Thema der Zeit gesprochen werden soll: die Transformation. Die Transformation eines hochkomplexen Energiesystems, das am Ende des Tages sicher, bezahlbar und immer klimafreundlicher sein soll.“ Demut vor den Herausforderungen dieses historischen Mammutvorhabens sei erlaubt, nicht aber Mutlosigkeit und Resignation. Ines Zenke verwies auf eindrückliche Beispiele aus der Geschichte: So wurde zum Beispiel auch dem Internet anfangs von einigen Skeptikern keine allzu große Zukunft beschieden. „Dinge sind möglich, wir müssen sie wollen.“ Gleichzeitig stellte Ines Zenke klar: „Die große Herausforderung wird nicht durch eine einzige Lösung abbildbar sein, wir müssen uns allen Lösungen öffnen, technologieoffen sein – und darüber miteinander reden.“ Und das sollte in der Friedrichstadtkirche geschehen.
Reichlich Energie für einen lebendigen Konferenztag lieferten zwei Impulsvorträge. Zunächst griff Michael Lewis, CEO von Uniper SE, das Thema der BBH-Jahreskonferenz auf: „Der Weg von der Energie heute zur Energie morgen braucht Durchhaltevermögen.“ Zudem kann die Energiewende nur mit pragmatischem und entschlossenem Handeln gelingen. Der „Gamechanger“ auf diesem schwierigen Weg ist für Michael Lewis Wasserstoff. Er plädierte für pragmatische, nicht perfekte Zwischenlösungen – der Herstellung von „blauem Wasserstoff“ in Kombination mit Carbon-Capture-Technologie – und griff damit Ines Zenkes einleitende Worte auf. Wir müssen uns öffnen, gegenüber vielen Lösungen und gegenüber der Technologie. Um die große Nachfrage nach Wasserstoff zu bedienen, braucht es, so Lewis, das Wasserstoffkernnetz sowie genügend Speicher. Was den Aufbau eines resilienten Energiesystems angeht, bemühte auch Michael Lewis den Blick in die Geschichte: Er verglich ihn mit dem Bau der Chinesischen Mauer – was Größenordnung, Ehrgeiz, aber auch die Kürze der Zeit angeht, die zur Verfügung steht. Eine Aufgabe, die nur gelöst werden kann, „wenn alle, Politik, Energiewirtschaft, Industrie, Gesellschaft, an einem Strang ziehen.“ Als nächster Impulsgeber folgte Tim Meyerjürgens, Geschäftsführer der TenneT TSO GmbH, der den Fokus auf die Infrastruktur lenkte. „Die Netze sind das Rückgrat der Energiewende.“ Erneuerbare Energien sind nach Tim Meyerjürgens ausreichend vorhanden, allein sie müssen von A nach B gebracht werden. Eine starke Infrastruktur, der Netzausbau, ist also das A und O, um die Erneuerbaren Energien auch nutzbar zu machen – und dafür, dass Energie auch bezahlbar ist.
BBH-Partner Prof. Christian Held griff den Faden zusammen mit dem ersten Panel des Konferenztages mit Vertreter:innen der Wirtschaft auf. Ilse Henne, Vorständin der thyssenkrupp AG, machte zunächst deutlich, was die Transformation für ein Stahlunternehmen bedeutet: Der Anteil, den die eigene Energieerzeugung an den Kosten der Stahlherstellung ausmacht, wird auf 50 Prozent steigen. „Wir sind Teil des Problems, und wir wollen auch Teil der Lösung sein.“ Alexander Voigt, Vorstand der HH2E AG, unterstrich die Bedeutung von grünem Wasserstoff für die Transformation, mahnte aber zugleich den zügigen Netzausbau an. Marcel Malcher, BBH-Partner und Vorstand der BBH Consulting AG, lenkte den Blick auf die Stadtwerke, für die die zentrale Wärmeversorgung von Bedeutung ist. Gleichzeitig nannte Marcel Malcher aber auch einen Punkt, der an diesem Tag immer wieder auftrat: die Kosten, insbesondere für Strukturmaßnahmen beim Wärmenetz. Immens hohe Kosten, die die Stadtwerke aufbringen müssen, ohne genau zu wissen, ob der Endkunde sich nicht letzten Endes doch für eine dezentrale Wärmepumpe entscheidet. Auch Tim Meyerjürgens stellte klar, „dass die Kostenfrage thematisiert werden muss.“ Ilse Henne warf ein, dass es für die Produktion von grünem Stahl nicht nur auf die vorhandenen staatlichen Hilfen ankommt, sondern auch Energieimporte aus dem Ausland notwendig sind. Dem widersprach Alexander Voigt. Er war der festen Überzeugung, dass die heimische Wasserstoffproduktion ausreichend sein werde, um die Bedarfe zu bedienen. „Ich glaube, wir werden eher grünen Wasserstoff exportieren, als Minister Habeck eine einzige Kilowattstunde Wasserstoff importiert“ – wenn zuvor die Weichen richtig gestellt worden sind, womit er vor allem das Netz meinte. Die Frage aus dem Publikum, wie man denn nun diese Erkenntnisse aus der Praxis genau in die Politik bringen kann – also zu den Weichenstellern, erntete Applaus, ebenso wie auch der Hinweis von Tim Meyerjürgens, dass man am Beispiel der LNG-Terminals sehen konnte, dass die „Deutschlandgeschwindigkeit“ erreicht werden kann. „Wenn alle wollen, geht plötzlich sehr viel.“ Es braucht Transparenz und Zusammenarbeit.
Der erste Teil des Konferenztages endete mit Zuversicht, aber auch deutlichen Forderungen an die politischen Entscheider:innen, die nun im zweiten Teil zu Wort kommen sollten. Berthold Goeke, Ministerialdirektor im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, eröffnete diese Runde mit einem Impulsvortrag, in dem er die bisherigen Fortschritte bei der Energie feststellte und anschließend darstellte, woran die Bundesregierung momentan intensiv arbeite: Ausbau der Infrastrukturen, an der Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, Schaffung eines Wasserstoffkernnetzes, der Entwicklung des Strommarktdesigns und Beschleunigung der Geothermie, Dekarbonisierung der Wärmenetze. Abschließend stellte Berthold Goeke klar: „Man sieht, wir sind dran an den Themen.“
Die zweite Diskussionsrunde wurde von Ines Zenke mit der Frage eröffnet, was man denn von der (erneuten) Klage des CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die kurze Entscheidungsfrist im Rahmen des Klimaschutzgesetzes halte. Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, fand dafür deutliche Worte: „Man kann nicht immer fordern, schneller zu sein, und dann bremsen.“ Ansonsten schloss er sich Berthold Goeke an: „Vieles ist schon gelungen, viele andere Dinge müssen noch nachgesteuert werden und daran arbeitet diese Ampelkoalition.“ Olaf in der Beek, klimapolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, verwies ebenfalls auf die Erfolge der Ampelkoalition – insbesondere im Kontext der erfolgreich überstandenen Gaskrise. Der CDU-Abgeordnete Dr. Klaus Wiener, stellvertretendes Mitglied im Wirtschaftsausschuss, mahnte in erster Linie an, dass bei den Themen Netzausbau und Speicherkapazität mehr gemacht werden müsse.
Die Kosten waren im ersten Teil der Jahreskonferenz ein Punkt, der immer wieder zur Sprache kam. Da lag es nahe, dass Ines Zenke die Teilnehmenden des Panels zur Schuldenbremse befragte. Berthold Goeke befürwortete in diesem Punkt eine vorsichtige Reform. Bernd Westphal war da noch deutlicher: „Was kostet es die zukünftige Generation, wenn wir jetzt nicht investieren?“ Olaf in der Beek betonte, dass die Kosten der Energiewende eher mit privatem Geld finanziert werden müssen. Klaus Wiener brachte eine andere Perspektive in die Diskussion: „Wenn die Transformation so wichtig ist, warum können wir im Haushalt das Geld nicht anders priorisieren?“ Einigkeit gab es dennoch bei allen: Privates Kapital ist unbedingt notwendig.
Die Kosten der Transformation und der Wille, die Energiewende gemeinsam zu bewältigen, waren die zentralen Punkte, die diese BBH-Jahreskonferenz charakterisieren. Christian Held erinnerte in seinem Schlusswort an den Optimismus, den er bei allen Vorträgen und Diskussionen gespürt hatte, und sprach die Hoffnung aus, dass es in der laufenden Legislaturperiode gelingt, die privatwirtschaftlichen Instrumente für die notwendigen Investitionen zu entwickeln. Schließlich leitete er zum geselligen Teil der Veranstaltung über, der am Abend in den Räumlichkeiten der BBH-Kanzlei stattfand. Dort wartete auf die Teilnehmenden ein letzter Impulsvortrag von Andreas Feicht, Vorstandsvorsitzender der RheinEnergieAG. Er gab zu bedenken, dass die Skepsis in der Bevölkerung die Umsetzung der Klimaziele betreffend zugenommen hat, und mahnte an: „Wir müssen die Leute überzeugen, sonst wird es nichts.“
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