Erfolgsfaktoren der kommunalen Wärmewende – die Zweite KlimAKonferenz (28.09.2023)

Die ersten Gäste der Zweiten KlimAKonferenz hatten sich bereits am Vorabend für einen ersten informellen Austausch am Pool des EUREF-Campus zusammengefunden, der an diesem lauen Spätsommerabend dazu einlud, die von der Anreise strapazierten Füße im Wasser zu kühlen.

Die offizielle Veranstaltung wurde dann am sonnigen Donnerstagmorgen durch BBH-Partner und Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Theobald und BBH-Partnerin und Rechtsanwältin Prof. Dr. Ines Zenke eingeläutet, die die rund 70 Gäste vor Ort und weitere an den Bildschirmen begrüßten – auf dem EUREF-Campus am Gasometer, dem „europaweit einzigartigen Reallabor der Energiewende sowie energiewirtschaftlichen Wahrzeichen Berlins“, so Theobald. Zenke verwies auf die Überschrift der Konferenz „Erfolgsfaktoren der kommunalen Wärmewende“ und konstatierte, dass die dezentrale Wärmewende heute und endlich als der zentrale Schlüssel der Energiewende behandelt wird, auch wenn die Politik noch Antworten geben muss, wie zum Beispiel die Finanzierbarkeit der Wärmewende betreffend. 

Der erste Beitrag näherte sich dem Konferenzthema quasi von oben. Mit seiner einleitenden Frage „Wo steht Deutschland bei der Klimawende“ lieferte Prof. Dr. Achim Truger, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – oder einfach kurz: einer der fünf Wirtschaftsweisen, die ökonomische Grundlage für die folgenden Diskussionen. Er stellte einen riesigen Investitionsrückstand der Kommunen fest. In den nächsten zehn Jahren ist mit einem Bedarf von 250 bis 300 Milliarden Euro zu rechnen – und bedauerte das heute fehlende finanzpolitische Konzept für die Kommunen. Angesichts dieser Zahlen und mit Blick auf die zusätzlichen aktuellen und künftigen Herausforderungen vor Ort bedarf es laut Truger einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung. Ob diese zu bewältigen ist, kann auch ein Wirtschaftsweiser nicht final beantworten. Aber Truger zeigte sich zuversichtlich – schließlich haben die Kommunen in den letzten Jahren sowohl die Corona-Pandemie als auch die Gaskrise mehr als glimpflich überstanden. Lösungsansätze sieht Truger zum Beispiel in einer Kommunalfinanzreform und in einer Ausnahmeregelung für die Schuldenbremse. „Wenn der Wille da wäre“, so Truger, „gäbe es viele Möglichkeiten“, hier muss die Bundesregierung liefern.

Ein Fazit, dass auch die nächste Referentin, Dr. Christine Wilcken, Beigeordnete des Deutschen Städtetages, unterschreiben würde. In ihrem Konferenzbeitrag „Klimawende, Wärmewende, Verkehrswende – wie schaffen die deutschen Städte den Wandel?“ kritisierte sie den regulatorischen Rahmen, der die Städte bei den Anstrengungen, die Wärmewende zu bewältigen, ausbremst. Und natürlich spielte auch Geld eine Rolle: Wenn man investieren will, muss man auch Sicherheiten haben, zum Beispiel in Form von Bürgschaften und Krediten, so Wilcken an die Adresse der Bundesregierung. Auch die Akzeptanz von Windrädern würde steigen, wenn die Kommunen für den Bau einer Anlage Geld erhielten. Gleichzeitig forderte sie, dass die Kommunikation gegenüber den Bürgern optimiert werden muss. „Wir müssen den Menschen besser erklären, dass Energie teurer werden wird und werden muss.“ Soziale Härten gilt es, mit einem zielgerichteten Klimageld abzufedern. Kontroverse Reaktionen rief Wilckens Aussage hervor, dass Wasserstoff im Kontext der kommunalen Wärmewendekurzfristig jedenfalls „nicht der große Wurf sei“.

Im Anschluss eröffnete BBH-Partner und Rechtsanwalt Dr. Olaf Däuper das erste Panel des Konferenztages. Geladen waren Stadtwerke-Vertreter, die über den Stand der Wärmewende anhand von Praxisbeispielen berichteten, sowie BBH-Partner und Vorstand der BBHC, Peter Bergmann. Sebastian Kirchmann, Geschäftsführer der Stadtwerke Schwerte GmbH, berichtete, dass und wie die Stadtwerke eine Dekarbonisierungsstrategie erarbeitet haben. Da alle Bereiche des Unternehmens betroffen sind, beziehen die Stadtwerke das gesamte Unternehmen ein. Daher wurde für alle Bereiche eine Business-Case-Betrachtung durchgeführt, um auch die Wirtschaftlichkeit in den Blick zu nehmen. Er konstatierte, dass „eine aktive Rolle der Stadtwerke bei der kommunalen Wärmeplanung zwingend notwendig sei, da die Transformation der Energiesysteme eine unmittelbare Auswirkung auf alle Geschäftsbereiche und die Ertragslage der Stadtwerke hat.“ Holger Mengedodt, Leiter „Markt und Kunde“ bei der Stadtwerke Bielefeld GmbH, wo schon sehr früh an Plänen zur Wärmewende gearbeitet worden ist, nämlich seit 2010, berichtete über die Umsetzung. Hohe Beträge sind in die Erweiterung der Fernwärmeversorgung investiert worden. Auch der erste Teil der Wärmeplanung sei bereits abgeschlossen. Fakt ist: 200 Millionen Euro für zehn Prozent mehr Fernwärme werden benötigt – für Investitionen in Netze. „Wo die Finanzmittel dafür herkommen sollen, ist fraglich“, so Mengedodt. Insbesondere den anvisierten Zeithorizont der Wärmewende hielt Mengedodt für ausgesprochen ambitioniert, auch aufgrund der oftmals langwierigen Genehmigungsverfahren. Ein Punkt, der an diesem Konferenztag noch oft Erwähnung finden sollte. Von einem speziellen standortspezifischen Praxisbeispiel in Speyer berichtete Jörg Uhde, Geschäftsführer der geopfalz GmbH & Co.KG. Ein wichtiger Baustein im dortigen Energiekonzept ist die Geothermie. Das Projekt steht noch am Anfang, 2026 soll mit der Wärmeauskopplung begonnen werden. Auch Uhde kam auf die Genehmigungspraxis zu sprechen: „Wir kommen in der Wärmewende nur weiter, wenn wir den Behörden sagen, dass sie für uns da sind und nicht wir für sie. Sie sind die Dienstleister für unsere Wärmewende.“ Der vierte Teilnehmer der Podiumsdiskussion war BBH-Partner Peter Bergmann, der die kommunalen Erfolgsfaktoren der Wärmwende mit seinen zahlreichen Projekterfahrungen abglich. Seiner Erfahrung nach ist die Situation vor Ort immer ganz individuell. Es gibt bei der Wärmewende keinen „One Size fits all“-Ansatz, sondern es bedarf einer individuellen Strategie für die jeweiligen Versorger, die zudem für sie neue Technologien, wie Tiefengeothermie, Großwärmepumpen oder Wasserstoff-KWK, integrieren müssen. Es sollte immer eine Gesamtbetrachtung über alle Wertschöpfungsbereiche des Unternehmens geben und nicht von vornerein eine reine und ausschließliche Fokussierung auf die kommunale Wärmeplanung. Auch die anderen Medien spielen eine große Rolle. Nur ein integrierter Ansatz wird zum Ziel führen. In der anschließenden Diskussion herrschte bei einem Punkt Konsens: Ohne massive Fördermittel wird die Wärmewende nicht gelingen. „Es ist auf jeden Fall so, dass Wärmepreise extrem steigen werden, wenn man da nicht finanziell ganz erheblich gegensteuert“, war sich Bergmann sicher.

Als spannendes Praxisbeispiel stellte sich für die Teilnehmer*innen der Zweiten KlimAKonferenz der nächste Beitrag „Erste Erfahrungen mit der Wärmeplanung aus Baden-Württemberg“ von Jörg Dürr-Pucher, Vorsitzender der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg e.V., dar – denn im Ländle ist man Vorreiter in Sachen Wärmeplanung. Dürr-Pucher hält die Wärmeplanung auch für ein wirkmächtiges Instrument: „Durch die Wärmeplanung schafft man Bewusstsein, denn auf einmal muss sich jeder damit beschäftigen.“ Im Folgenden griff er einige Faktoren auf, die im Laufe der Veranstaltung bereits Erwähnung gefunden hatten. Zum einen die Kommunikation: „Die Leute müssen abgeholt werden, denn die Anschlussquote ist beim Wärmenetz entscheidend.“ Schlussendlich geht es darum, dass jeder versteht: „Fernwärme ist cool!“ Des Weiteren strich er die Bedeutung der Sektorenkopplung für die Wärmewende und die Notwendigkeit eines frühzeitigen Baus von Wärmenetzen heraus, wenn die nicht schon da seien. Besonders kritisch sah Dürr-Pucher den Zeithorizont und die Finanzierung, denn die bereits vorangeschrittene Wärmeplanung in Baden-Württemberg zeigte – insbesondere in mittelgroßen Städten – vor allem: Das ist alles in dem Zeitrahmen kaum machbar und kaum bezahlbar. Hoffnung verspricht laut Dürr-Pucher die BEW als funktionierendes Förderinstrument.

Über die „Bedeutung der Wärmeplanung für kommunale Versorgungsunternehmen“ referierten im Anschluss BBH-Partner Rechtsanwalt Dr. Markus Kachel und BBH-Partner und BBHC-Vorstand Roland Monjau. Kenntnisreich erklärte der Anwalt (Kachel) den gesetzlichen Rahmen und die Verzahnung von WPG, GEG und EnEfG, während der Ingenieur und Berater (Monjau) die Spannungsfelder zwischen den Akteuren Kommunen, Kunden und Wärmenetzbetreibern darstellte. Darauf aufbauend leiteten sie die entscheidenden Konsequenzen für die Wärmeversorger vor Ort ab – mit der für einige doch überraschenden Information, dass der Wärmeplan, den die Kommune beschließt, nicht rechtsverbindlich ist, sondern nur Empfehlungscharakter biete.

Nach vielen Praxisbeispielen, die die Probleme vor Ort schilderten, und der oft vernommenen Losung „Wir werden das schaffen“ ging es in der zweiten Podiumsdiskussion unter Leitung von ZfK-Chefredakteur Klaus Hinkel nun ums Eingemachte: Welche „Stellschrauben“ müssen bewegt werden, um die Klimawende zu beschleunigen – und wenn es darum geht, ein großes Projekt in einem ambitionierten Zeitraum zu stemmen, war der erste Teilnehmer des zweiten Panels genau der richtige Ansprechpartner: Dr. Holger Kreetz, Vorstand/COO der Uniper AG. Innerhalb von zehn Monaten konnte das LNG-Terminal in Wilhelmshaven errichtet werden. Natürlich war dieses Infrastrukturprojekt von so großer Bedeutung, dass es nicht einfach auf andere Problemlagen übertragbar ist. Aber ein Blick auf die „Enabler“ gibt dann doch einige Erkenntnisse für alle Akteure der Wärmewende. Kreetz nannte die bereits geleistete Vorarbeit, die enge Zusammenarbeit mit den politisch Verantwortlichen und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Hier gab ihm die zweite Diskutantin BBH-Partnerin Prof. Dr. Ines Zenke recht: „Man kann jedes Projekt entweder in zehn Monaten oder in drei Jahren bewerkstelligen. Der entscheidende Unterschied ist das Mindset. Wenn Behörde, Behördenleitung und auch die Politik von Anfang an hinter einem Projekt stehen und es unterstützen, dann können Dinge stark beschleunigt werden. Und zwar ohne dass Prüftiefe oder Beteiligungsrechte verloren gehen." Der dritte Teilnehmer des Panels, Bastian Olzem, Geschäftsbereichsleiter „Erzeugung und Systemintegration“ beim BDEW, gab an dieser Stelle aber zu bedenken, dass man die Prozesse und die Menschen in den Prozessen nicht überfordern darf. „Es bringt ja nichts, wenn dann drei oder vier Mal nachgebessert werden muss.“ Zeit bzw. Geschwindigkeit – und das ist sicher eine Quintessenz dieses Konferenztages – ist allerdings eine ganz wichtige Stellschraube der Wärmewende, an der gedreht werden muss. Daher brachte Zenke auch noch einmal das optimierbare Mindset ins Spiel: „Das Grundverständnis muss sein: Wir brauchen schnelle Genehmigungsverfahren; nicht die 200-prozentige gerichtsfeste Lösung.“ Bei der Frage nach der Halbzeitbilanz der Ampelkoalition resümierte Olzem, dass schon viel passiert ist, aber dass es noch an der Kommunikation mangelt: Die Menschen müssen besser mitgenommen werden. Zenke zog eine verhalten-positive Bilanz. Man ist gut durch die Energiekrise gekommen, aber es braucht Klarheit beim Energiemarktdesign, eine Entbürokratisierung und Investitionssicherheit mit dem notwendig klaren und belastbaren Rechtsrahmen. Auch Kreetz hob hervor, dass die Energiekrise gut bewältigt wurde. Er meinte, dass die Urgency im Denken und Handeln der Akteure dabei eine entscheidende Rolle gespielt hat – und wünschte sich, dass diese Urgency nun auf den Klimawandel transformiert wird.

Der letzte Beitrag des Konferenztages stammte von Prof. Dr. Matthias Knauff vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht der Universität Jena. In seinem Referat über die „Leitplanken des Klimaschutzrechts für Stadt- bzw. Gemeindewerke“ spannte er zunächst den Bogen vom Kyoto-Protokoll über das Übereinkommen von Paris bis zur aktuellen unions- und bundesrechtlichen Gesetzeslage und schloss mit einigen wichtigen juristischen Hinweisen für die Kommunen. Zum Beispiel: Die Beachtung von Klimaschutzanforderungen sind rechtlich geboten, soweit an Kommunen oder Unternehmen adressiert worden ist. Und einem geldwerten Hinweis: „Nutzen Sie die beihilferechtlichen Fördermöglichkeiten.“

Nach einem langen, aber kurzweiligen Konferenztag mit vielen kenntnisreichen Referaten, spannenden Beispielen aus der Praxis und interessanten Diskussionen verabschiedete sich Prof. Dr. Christian Theobald von den Teilnehmer*innen, nicht ohne noch die wesentlichen Fragestellungen des Tages zusammenzufassen: “Die Energie- und Wärmewende kann nur mit Hilfe der Stadt- und Gemeindewerke gelingen. Dafür werden Investitionen in bislang nicht bekannter Höhe notwendig werden. „Konkrete Tipps zur Einbindung der Kommunen, zu den vergaberechtlichen Anforderungen und Optionen sowie den Leiplanken bei der Ausschreibung im Einzelnen werden Ihnen im KlimAKompass am 8.11.2023 in Berlin/hybrid vorgestellt.“ Eine weitere Erkenntnis des Tages, so Theobald, ist „dass wir unbedingt die infolge der aktuellen Energiekrise initiierte Beschleunigung der Genehmigungsverfahren institutionalisieren müssen: Wir kommen nicht umhin, die Wirkweise unseres Rechtssystems und damit unsere Verwaltungskultur deutlich zu beschleunigen, wenn wir innerhalb Europas und in der globalisierten Welt mithalten wollen.“ Mal sehen, was sich hier bis zur nächsten KlimAKonferenz - am 17. September 2024 - bewegt haben wird.

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