Städtetrip durch die Regulierung: Die 15. Regulierungskonferenz des AK REGTP

Luxemburg – Brüssel – Berlin – Karlsruhe – Düsseldorf – Bonn – Cottbus: Ein Städtetrip in Corona-Zeiten? Die Regulierungskonferenz des AK REGTP musste zwar pandemiebedingt auch in diesem Jahr digital stattfinden. Doch zeigten sich auch diesmal die Vorzüge des digitalen Formats: Mit einer Vielfalt an Themen luden die Moderator*innen Prof. Dr. Christian Theobald und Prof. Dr. Ines Zenke die über 370 Teilnehmer*innen auf eine virtuelle Reise quer durch Deutschland und Europa ein.

Die Auswirkungen der Pandemie bekamen natürlich auch die Netzbetreiber in den vergangenen Monaten zu spüren. „Und trotz aller Einschränkungen unter der Pandemie gelang es Ihnen, den systemrelevanten Netzbetrieb vor Ort aufrecht zu erhalten. Das ist eine großartige Leistung. Und war alles andere als selbstverständlich! Deutschland ist an ganz unterschiedlichen Stellen an seine Grenzen gekommen. Hier aber jedenfalls nicht. Und das muss man auch mal so sagen“, stellten die BBH-Partner*innen Prof. Dr. Christian Theobald und Prof. Dr. Ines Zenke heraus.

Doch nicht immer decken sich Anspruch und Wirklichkeit, wie bei der Energiewende und der Netzregulierung. Ohne die Verteilnetze werden wir den Aufgaben der Energiewende nicht gerecht werden, stellte der Hauptgeschäfsführer des VKU Ingbert Liebing fest. Die hohen Anforderungen an die Verteilnetze passen aber nicht zusammen mit einer investitionsunfreundlichen Regulierung. Investitionshemmnisse würden dazu führen, dass lediglich die betriebsnotwendigen Muss-Investitionen getätigt werden. Qualitative und innovative Investitionen blieben aber auf der Strecke. Auch beim Thema Wasserstoff klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Laut Liebing müsse eine organische Entwicklung von Erdgasnetzbetreibern zu Wasserstoffnetzbetreibern stattfinden. Dazu benötige man eine gemeinsame Regulierung. Er hofft hier auf ein Signal der Bundesregierung. Eine all-electric-world kann er sich jedenfalls nicht vorstellen: Wo soll der ganze – wohlgemerkt grüne und CO2-freie – Strom dafür herkommen? „Wir brauchen ein klares Bekenntnis für Infrastrukturen“, stimmte Prof. Dr. Ines Zenke zu, nachdem sie zusammen mit Prof. Dr. Christian Theobald und den Teilnehmer*innen einen Blick auf 25 Jahre Energiebinnenmarkt geworfen hatte.

Dieses klare Bekenntnis fehlt aktuell völlig, wie aus dem Gespräch mit BBH-Partner*innen Rudolf Böck und Astrid Meyer-Hetling deutlich wurde. Gasnetze werden schon viel früher als 2045 an Bedeutung und Nutzung verlieren, stellte Rudolf Böck fest. Dies schlägt sich auf die Ertragsseite nieder. In der Unternehmens- und Netzbewertung ist ein Enddatum aber nicht vorgesehen. Es ist außerdem unklar, was danach mit den Netzen passiert: Ausstieg? Rückbau? Umwidmung? Das Fehlen einer eindeutigen Perspektive kombiniert mit der Tatsache, dass bis spätestens 2045 definitiv ein grundlegender Paradigmenwechsel stattfinden wird, habe zur Folge, dass die Netze kein risikofreies Investment mehr seien, so Böck. Dies wiederum kann in Zukunft auch Auswirkungen auf Gaskonzessionsverfahren haben, sagte Astrid Meyer-Hetling. Denkbar wäre, dass sich in Einzelfällen gar kein Energieversorger auf eine Konzession bewirbt. Wer springt dann ein? Die Kommune als Träger der Daseinsvorsorge? Meyer-Hetling drängt hier auf Rechtssicherheit durch den Gesetzgeber und warnt davor, dies der (einzelnen) Klärung durch die Rechtsprechung zu überlassen.

Nach den Stationen Brüssel (europäische Gesetzgebung) und Berlin (nationale Gesetzgebung) ging es für die Reisegruppe AK REGTP thematisch nach Bonn und Cottbus – als neuen Standort der Bundesnetzagentur. Vizepräsident der Bundesnetzagentur Peter Franke als Regulierungskonferenz-Stammgast stellte die Festsetzung des EK-Zinssatzes der 4. Regulierungsperiode für die 2. Jahreshälfte 2021 in Aussicht. An der Methodik würde die Bundesnetzagentur trotz massiver Kritik aus der Branche festhalten: ein Dämpfer für alle, die auf eine sachgerechte Zinssatzhöhe hoffen. Auch der Ökonom Prof. Dr. Christoph Kaserer von der TU München unterstrich bei der Regulierungskonferenz schließlich, dass die Bundesnetzagentur die Marktrisikoprämie zu niedrig ansetze.

Licht am Regulierungshorizont konnte man im Bereich Wasserstoff wahrnehmen. Nachdem BNetzA-Präsident Jochen Homann noch vor wenigen Wochen bei der BBH-Jahreskonferenz der Gasinfrastruktur nur eine sehr begrenzte Perspektive aufzeigte, lenkte Peter Franke ein: Er könne sich durchaus die Nutzung von Wasserstoff auch in der Wärmeversorgung vorstellen; allerdings müsse hierfür primär das Mengenproblem überwunden werden. Die Politik müsse hierfür definieren, welche Arten von Wasserstoff überhaupt zulässig sind. „Das ist die entscheidende Frage“, so Franke. Dann könne man auch über die verschiedenen Nutzungen sprechen.

Zurück zu den Fakten. Welche für die Verteilnetzbetreiber relevante Verfahren das OLG Düsseldorf aktuell beschäftig, berichtete Anne-Christin Frister, Vorsitzende Richterin, 3. Kartellsenat des OLG Düsseldorf. Dazu gehört z.B. das Thema Kapitalkosten. Im Kölner Außenstudio stellte Frister sich anschließend den Fragen des BBH-Partners Axel Kafka und der Teilnehmer*innen, die die Gelegenheit eines direkten Drahts in den berühmt-berüchtigten 3. Kartellsenat gerne wahrnahmen. Düsseldorf – immer eine Reise wert!

Die Ermittlung eines konkreten Standortes beim Thema Cybersecurity ist dagegen in zweierlei Hinsicht schwierig: Zum einen kann im Prinzip jedes Unternehmen Ziel eines Cyberangriffes werden, zum anderen kann dieser Angriff von überall aus der Welt kommen. Besonders sensibel sind Angriffe auf kritische Infrastrukturen. Hier würde ein Ausfall das öffentliche Leben dramatisch einschränken. Wie man sich als Unternehmen dagegen schützen kann, diskutierten BBH-Partner Dr. Jost Eder und BBHC-Partner Dr. Andreas Jankiewicz mit Peter-Michael Kessow und Ingmar Weitemeier vom G4C, dem German Competence Centre against Cyber Crime. Rahmenwerke und Zertifizierungen sind hier wichtige To-dos, aber darüber hinaus können Kooperationen mit kontinuierlichem Erfahrungs- und Informationsaustausch sinnvoll sein, so das Fazit.

Nach Luxemburg und Karlsruhe führte die Teilnehmer*innen schließlich BBH-Partner Stefan Missling. Mit Spannung erwartet die Branche die Entscheidung des EuGH zur künftigen Rolle der Bundesnetzagentur. Die EU-Kommission beklagte eine mangelnde Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur im Regulierungsregime. Dabei habe der BGH mit seinen Entscheidungen zum EK-Zinssatz und GSP doch implizit genau diesen (in der Tat sehr großen) Ermessensspielraum bestätigt, so Missling. Salopp könne man die Rechtsprechung des BGH zusammenfassen mit: alles, was nicht gesetzlich geregelt ist, gehört zum Spielraum der Bundesnetzagentur. Sollte der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts folgen, wären die Festlegungen der Bundesnetzagentur zukünftig nicht mehr gerichtlich überprüfbar. Kann das wirklich gewollt sein?

Weiter ging es mit dem Thema Klimaschutz und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Die Bundesregierung verschärfte daraufhin die Sektorziele und zog die Klimaneutralität um 5 Jahre auf 2045 vor. Wichtig seien aber nicht nur die Ziele, sondern vor allem auch die Maßnahmen, mit denen diese Ziele erreicht werden, so die BBH-Partner Dr. Martin Altrock und Dr. Olaf Däuper. Fest steht: Der Druck steigt, auch für die Stadtwerke vor Ort, die eine Perspektive und aktive Gasnetzplanung für ihre Verteilnetze benötigen.

Das novellierte Energiewirtschaftsgesetz wird einiges in den Bereichen Netze und Vertrieb auf den Kopf stellen. Inhaltlich geht es weit über die Umsetzungen aus dem EU-Winterpaket hinaus. Heiner Bruhn aus dem BMWi konnte hier Einblicke aus 1. Hand geben, denn er befasst sich gerade damit. Aktuell wird hier noch verhandelt, er stellt aber ein Inkrafttreten Anfang August in Aussicht. Die BBH-Partner Dr. Christian de Wyl und Dr. Jost Eder mussten den Teilnehmer*innen den wohlverdienten Sommerurlaub madig machen: Eine Übergangsfrist ist hier nämlich nicht vorgesehen. Die heiße Phase beginnt mitten in … der heißen Phase. August. Hochsommer.

Und zum Schluss wurde es dann noch mal richtig smart bei der Regulierungskonferenz des AK REGTP. Das Urteil des OVG Münster zum Smart-Meter-Rollout wirft noch immer seine Schatten voraus. Der Gesetzgeber möchte das Messstellenbetriebsgesetz im Rahmen der EnWG-Novelle einer Reparatur unterziehen. Aktuell sieht Dr. Jost Eder allerdings keine vollständige Reparatur gegeben. Die Bewertung ist komplex, betont Eder – und hier muss noch viel getan werden.

Und damit endete die 15. Regulierungskonferenz des AK REGTP. Was für ein Ritt! Es wurde nichts ausgelassen und alle Sehenswürdigkeiten ausgiebig berücksichtigt. Im nächsten Jahr, verspricht Prof. Dr. Christian Theobald, klappt das aber mit der versprochenen abendlichen Schiffstour auf der Spree!

Einige visuelle Eindrücke haben wir hier für Sie zusammengestellt.

Becker Büttner Held versteht sich als ein führender Anbieter von Beratungsdienstleistungen für Energie- und Infrastrukturunternehmen und deren Kunden. Den Kern der Mandantschaft bilden zahlreiche Energie- und Versorgungsunternehmen, vor allem Stadtwerke, Kommunen und Gebietskörperschaften, Industrieunternehmen sowie internationale Konzerne. Diese und viele Unternehmen und Institutionen aus anderen Bereichen unterstützt BBH sowohl in allen Rechtsfragen als auch betriebswirtschaftlich und strategisch.

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