Das Verhältnis zwischen Energie- und Regulierungswende – die 17. Regulierungskonferenz des AK REGTP

Alljährlich bringt die Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) die Akteur*innen der Branche auf ihrer traditionellen Regulierungskonferenz zusammen – am 9. Mai war es nun wieder so weit, zum 17. Mal. Begrüßt wurden die rund 200 anwesenden der insgesamt 270 Teilnehmer*innen von den BBH-Partner*innen Prof. Dr. Christian Theobald und Prof. Dr. Ines Zenke.

In seiner inhaltlichen Einführung erinnerte Prof. Dr. Christian Theobald daran, dass fast auf den Tag genau vor 25 Jahren mit dem damals neu in Kraft getretenen EnWG die Liberalisierung des deutschen Strommarktes eingeleitet wurde: „Dass ausgerechnet das System der normativ-administrierenden Regulierung als Erfolgsmodell gelungener Marktöffnung jetzt vom EuGH als europarechtswidrig kassiert wurde, ist ein Treppenwitz der Geschichte“, so Theobald. Der nunmehr vorliegende Referentenentwurf zur Umsetzung der EuGH-Entscheidung mache die Regulierungskonferenz wieder einmal hochaktuell.

Nach einem kurzen Rückblick auf die zum Teil dramatischen Entwicklungen und Ereignisse der letzten Monate – Gasmangellage, drohende Gas-Triage, Lieferkettenprobleme, hohe Gas- und Strompreise – skizzierte Prof. Dr. Ines Zenke einige der aktuellen und kommenden Herausforderungen: u.a. und weiter die Preisbremsen, zudem ein erwarteter Industriestrompreis und seine Umsetzung, dürfen Methangas- in Wasserstoffnetze transformiert werden? Und auch die Finanzierung der herausgeforderten Netze muss neu gedacht werden. Es gibt also viel zu tun. Zumindest, so Zenke, „hat sich das Verständnis durchgesetzt, dass starke Netze und starke Infrastrukturen generell Deutschlands Rückgrat sind.“

Prof. Dr. Christian Theobald wies anschließend darauf hin, dass die 17. Regulierungskonferenz zwar unter keinem Motto steht, schnitt aber gleich ein Thema an, dass sich durch die Diskussionen und Reden des Tages wie ein roter Faden ziehen wird: die EuGH-Entscheidung vom 2. September 2021, die, so konstatierte Theobald, eines klar macht: „Die Rolle der Bundesnetzagentur wird sich ändern.“

Dr. Christian Schütte, Leiter der Beschlusskammer 9 der Bundesnetzagentur, schloss in seinem Vortrag genau da an und machte zum einem deutlich, dass das einschneidende EuGH-Urteil eine Zäsur für die deutsche Energieregulierung darstellt, und betonte zum anderen, dass die Bundesnetzagentur nun eine Fülle an Kompetenzen erhält, die sie sich nicht gewünscht hat. Klar ist: Das deutsche Modell der normativen Regulierung kann nicht weiterverfolgt werden. Schütte führte aus, dass die BNetzA im behördlichen Verfahren eine erhöhte Begründungserfordernis trifft. Entscheidungen sind umfassend zu begründen. Hier besteht eine besondere Herausforderung. Manche Entscheidungen summieren sich auf, so Schütte: „Wir müssen alle zusammen ein vernünftiges Maß finden, und das kann dauern. Aber auch das gehört zu so großen Umbrüchen.“ Um die Umsetzung des EuGH-Urteils muss sich nun der Gesetzgeber kümmern, ein Referentenentwurf liegt seit einer Woche vor. Wichtig ist, dass der Rechtsrahmen stabil bleibt. Daher bleiben die Verordnungen für unterschiedliche Übergangszeiten in Kraft.

Anschließend informierte Anne-Christin Frister, Vorsitzende Richterin des 3. Kartellsenats des OLG Düsseldorf, über Entscheidungen zu regulierungsrechtlichen Fragen. Es ging u.a. um Personalzusatzkosten als „Dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten“ (DnbK), Investitionsmaßnahmen, die den Objektschutz betreffen, und die Zuschlagsentwertung durch die Bundesnetzagentur. Frister ging auch auf den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts an unionsrechtliche Aufgaben ein. Ihrer Meinung nach ist es noch zu früh, den Referentenentwurf zu beurteilen. Auch auf die Gerichte kommen neue Herausforderungen zu. „Es gibt viele Konsequenzen“, so Frister, „aber eine darf es nicht geben: der reine Fokus auf die Begründungspflicht. Es darf nicht dazu führen, dass Gerichte nur noch dafür da sind, dass sie prüfen, ob die Begründung schlüssig bzw. vollständig ist.“

Über Anspruch und Wirklichkeit bei „Energiewende und Netzregulierung“ referierte Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des VKU – und die klaffen seiner Meinung nach weit auseinander. Zunächst fasste er die „schier unmöglichen Aufgaben“ zusammen, „die auf uns zukommen“: Das Volumen für die Verteilnetze steigt gewaltig, wenn man den politischen Vorgaben folgt. Zum einen muss sich das EE-Ausbautempo verdreifachen, zum anderen muss der Übertragungsnetzbau beschleunigt werden. Es gibt aus Sicht des VKU keinen vorausschauenden Netzausbau und Liebing stellte ein fehlendes Problembewusstsein bei der Bundesnetzagentur fest. Aber er sieht auch positive Ansätze, zum Beispiel im Referentenentwurf. Des Weiteren bemängelte Liebing die fehlende Technologieoffenheit im GEG-Entwurf. Auch hier klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander, auch was Zeit und Finanzierung angeht. „Hier brauchen wir einen echten Doppelt-Dreifach-Wumms“, so Liebing. Noch schwieriger wird es beim Thema Wasserstoff. Hier kritisierte Liebing die wasserstoffkritischen Positionen beim BMWK. „Ja, wir brauchen den Wasserstoffhochlauf, dafür brauchen wir die Infrastruktur. Meine Sorge ist, dass derselbe Fehler wie beim Strom gemacht wird.“

Um das GNDEW, das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende, ging es in der ersten Podiumsdiskussion an diesem „Tag der Regulierung“, die BBH-Partner Dr. Jost Eder mit den Worten einleitete: „Das ist tatsächlich ein Neustart für den Rollout.“ Zunächst schilderten die Teilnehmenden der Diskussionsrunde ihre Rollout-Erfahrung. Klaus Winter, Geschäftsführer der Braunschweiger Netz GmbH, meinte, dass der Rollout zukünftig auch von Stromlieferanten voran getrieben werden wird. Dr. Michael Sobótka, Geschäftsführer der GWAdriga GmbH & Co. KG, berichtete, dass es in Polen schon länger intelligente Messtechnik gibt. In Deutschland gebe es sehr strenge Datenschutzanforderungen. Steffen Arta, Geschäftsführer der Stadtwerke Dreieich GmbH, zeigte sich zuversichtlich, dass der Rollout jetzt nicht nur starten, sondern auch durchstarten kann. Dr. Andreas Lied von BBHC verwies auf Beispiele aus dem europäischen Ausland, u.a. Frankreich, wo der (flächendeckende) Rollout gut funktioniert hat.

Den inhaltlichen Schlusspunkt unter die diesjährige Regulierungskonferenz setzte die Podiumsdiskussion mit dem Titel „Zukunftsinvestition Energieinfrastruktur?“ unter Leitung von BBH-Partner Axel Kafka. Die Leitfrage für diese Runde umriss Kafka einleitend mit den Worten „Was macht eine Investition in die Energieinfrastruktur zu einer echten Zukunftsinvestition und welche Rahmenbedingungen müssen dafür geschaffen werden.“ In der Folge berichteten die Panelisten zunächst von ihren persönlichen Erfahrungen bezüglich Regulierungsrahmen, Strategien und Finanzierung bei der Energiewende. Wolfgang Bühring, Geschäftsführer der Stadtwerke Speyer GmbH erklärte: „Wichtig ist, erst einmal zu verstehen, dass in diesem Bereich alles auf Langfristigkeit ausgerichtet ist. Unser Job ist es, Energieversorgung sicher und günstig zu gestalten. Nun eben unter den neuen Bedingungen. Die Säulen der Energiewende sind Photovoltaik, Wind, Geothermie.“ Jana Zöllner, Geschäftsführerin der Energieversorgung Nordhausen GmbH, berichtete in diesem Zusammenhang von ihren Erfahrungen mit der kommunale Wärmeplanung in Nordhausen, die aufgrund der landesgesetzlichen Vorgaben schon sehr viel früher abgeschlossen worden sei als im übrigen Bundesgebiet: „Die kommunale Wärmeplanung gemeinsam mit der Stadt hat gut funktioniert.“ Georg Friedrichs, Vorstandsvorsitzender der GASAG AG, setzt im Hinblick auf die laufende Wärmewende auch auf Wasserstoff. „Vor allem weil Biomethan nicht funktioniert, wenn alle das nutzen.“ Unter dem Eindruck des auf der Konferenz viel diskutieren Referentenentwurfs für ein neues EnWG wies der vierte Mitdiskutant, BBH-Partner Thomas Straßer, auf das Erfordernis eines stabilen Regulierungsrahmens hin. Insbesondere auch im Hinblick auf die Erwartungen unter anderem privater Finanzinvestoren sagte Straßer: „Mit Blick auf das veränderte Zinsumfeld bedarf es schnellstmöglich einer entsprechenden Anpassung der regulatorischen Eigenkapitalzinssätze.“

Bühring hofft, dass künftig v.a. beschleunigte Genehmigungsverfahren zu einem schnelleren Ausbau der Erneuerbaren beitragen werden, und zeigte eine Reihe von Beispielen auf, wie der derzeitige Rechtsrahmen und dessen Vollzug die Energiewende behindere. Eine Erfahrung, die Zöllner auch gemacht hat. Friedrichs glaubt, dass das Problem ist, „dass wir es mit einer Verwaltung zu haben, die keine Fehler machen will.“ Er sah aber Grund zur Hoffnung und bemerkte durchaus erste Ansätze einer Beschleunigung bei Genehmigungsverfahren – vor allem bei PV und Biogas. Ansonsten plädierte Friedrichs für pragmatische Lösungen: „Ab und zu muss man auch der Bundesnetzagentur sagen, haltet euch raus, wir machen das schon. Also bitte etwas sparsamer regulieren, damit wir pragmatisch handeln können.“

Nach spannenden Diskussionen und kenntnisreichen Vorträgen fasste Prof. Dr. Christian Theobald seine Eindrücke dieses langen Konferenztages zusammen. Die EuGH-Entscheidung und die damit zusammenhängende neue Rolle der Bundesnetzagentur hatte sich wie ein roter Faden durch nahezu alle Beiträge gezogen. Auf die Beiträge der Diskussionsrunden rekurrierend wirft er auch die Frage auf, ob man nicht in Zukunft über eine Reduktion der Regulierung nachdenken sollte. Und er ging noch weiter: „Regulierung und Unbundling, diese beiden Schwestern im Geiste, korrelieren mit dem Zugang zum natürlichen Monopol der Netze; nur darauf zielten von Anfang an die beiden europäischen Binnenmarktrichtlinien ab. Die Energiewende und die dafür nötige Sektorenkopplung machen aber nunmehr eine ganzheitliche Betrachtung über alle Wertschöpfungsstufen notwendig. Ein überspanntes Verständnis von Regulierung könne sich dann schnell als neues Hindernis darstellen. Zudem scheint sich die Politik aus der Verantwortung zu stehlen, wenn künftig wichtige gesellschaftliche und hochpolitische Entscheidungen zur Energiewende von einer Behörde getroffen werden sollen. Es dürfe aber gerade keine Verschiebung im verfassungsrechtlich garantierten und sorgfältig austarierten Gewaltenteilungssystem zu Lasten von Legislative und Judikative eintreten.“

 

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